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Christina Kampmann & Michael Roth

© Werner Schüring

AG Migration und Vielfalt Videoantwort von Christina Kampmann & Michael Roth

Fragebogen der AG Migration und Vielfalt an die Kandidierenden zum SPD-Parteivorsitz

SPD – die Volkspartei, die die ganze Gesellschaft repräsentiert

Jünger, weiblicher UND vielfältiger. Das war eines der oft formulierten Forderungen nach den letzten Wahldebakeln. Denn eine Volkspartei muss die Breite der gesamten Gesellschaft repräsentieren, will sie Volkspartei bleiben. Konkret tat sich bisher jedoch wenig. Der Parteivorstand gab sich eine Zielmarke von 15% Mitgliedern mit Einwanderungsgeschichte in Bundesgremien, welche nie erreicht wurde. Die Bundesregierung ist ziemlich komplett ohne Einwanderungsgeschichte. Was sind Eure Ideen, um die gesamte Vielfalt in der Gesellschaft besser zu repräsentieren, gerade in Bezug auf folgende Fragestellungen?

Welchen Stellenwert hat für Euch in der Parteiarbeit die interkulturelle Öffnung?

Jede vierte Person in Deutschland hat einen Migrationshintergrund. Das spiegeln aber weder die Leitungsebenen von Konzernen oder Behörden noch unsere Parteienlandschaft wieder. Deutschland ist vielfältig und so muss es auch unsere SPD sein, vor allem wenn wir wieder großen gesellschaftlichen Rückhalt haben wollen. Wir müssen zeigen, dass wir alle Menschen und ihre Lebensgeschichten repräsentieren wollen. Deshalb muss für uns die interkulturelle Öffnung einen sehr hohen Stellenwert haben. Wir müssen Vorbild sein und wollen, dass unsere Gremien vielfältig besetzt sind: Frauen und Männer, jung und alt, hier Geborene und zu uns Gekommene, mit und ohne Migrationshintergrund. Interkulturelle Öffnung beschränkt sich für uns nicht nur auf die Gremienbesetzung, sondern beinhaltet auch die aktive Teilhabe an politischen Prozessen. Wir brauchen offenen und transparente Strukturen (inkl. Antragsverfahren, Gremienarbeit und Parteitage, digitale Beteiligung), die es jeder und jedem ermöglichen sich und seine Meinung einzubringen.

Quoten, Zielvorgaben, freiwillige Einsicht… Benötigt die SPD Instrumente, um mehr Vielfalt im Parteivorstand abzubilden? Wenn ja, welche?

Angelehnt an die reale Situation in unserer Bevölkerung wäre es wünschenswert, wenn der Parteivorstand der SPD zu einem Viertel mit Menschen mit Migrationshintergrund bestehen würde. Nach vielen Jahren freiwilliger Bemühungen können wir leider noch keine Verbesserung sehen. Wir streben an, dass der künftige Parteivorstand zu 20% aus Menschen mit Migrationshintergrund besteht. Auch andere Gremien sollten an die 15% Zielmarke erinnert werden und sich bei Nichteinhaltung vor dem Bundesparteitag rechtfertigen müssen. Zur Sicherung der Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund wollen wir eine Vielfaltskommission (angelehnt an die Gleichstellungskommissionen) innerhalb der Partei einrichten. Bei der Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer für Programme wie die Kommunalakademie werden wir ebenfalls jeden fünften Platz an Menschen mit Migrationshintergrund geben.

Was versteht Ihre unter Diversity-Kompetenz und auf welche Weise wollt Ihr diese in allen Ebenen und Gliederungen der Partei etablieren und fördern?

Diversity-Kompetenz bedeutet für uns, Menschen ungeachtet ihres Geschlechts, ihres Alters, einer Behinderung, ihrer Hautfarbe, ihrer kulturellen, ethnischem, religiösen Prägung oder ihrer sexuellen Identität mit einer offenen und wertschätzenden Haltung zu begegnen. Diese Haltung muss für alle SPD Mitglieder selbstverständlich werden. Der erste Schritt ist der Gebrauch einer zeitgemäßen diskriminierungsfreien Sprache. Rassistische Begriffe haben in unserer Partei nichts zu suchen! Die Parteispitze und Vorstände auf Landes- und Bezirksebene müssen ganz klar eine zeitgemäße diskriminierungsfreie Sprache nutzen, um damit als Vorbild voran zu gehen. Die neugegründete Vielfaltskommission wird für alle Mitglieder eine Ansprechpartnerin sein, die sich z.B. diskriminiert und ausgegrenzt fühlen. In der Parteischule werden wir das Training für Diversity-Kompentenz ausbauen.

SPD – die Partei der Einwanderungsgesellschaft

Gerade in den Themenfeldern der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt kochen gesellschaftliche Diskussionen stark hoch. Dabei geht es nicht nur um die Flüchtlingspolitik, sondern auch um Teilhabe und Zugehörigkeit in der Einwanderungsgesellschaft. Die SPD als „Migrantenpartei“ scheint ihre Sprachfähigkeit verloren zu haben, was uns dramatisch fallende Zustimmungswerte in der Zielgruppe der 25% Menschen mit Einwanderungsgesellschaft in Deutschland beweisen. Was sind Eure Ideen, um verlorengegangenes Vertrauen wiederzuerlangen und wieder zur Partei der Einwanderungsgesellschaft zu werden? Folgende Fragen interessieren uns dabei zentral.

Leitkultur, Leitbild, Grundgesetz. Wie sieht die sozialdemokratische Klammer um unsere Gesellschaft aus, wie stärken wir den Zusammenhalt?

Unser Leitbild sollte sein, dass sich jede und jeder, der sich in Deutschland am gesellschaftlichen Leben beteiligen möchte, dazugehört und somit einen aktiven Beitrag leistet, um unsere Gesellschaft zusammenzuhalten. Dabei ist es egal, welcher Ethnie, sozialen Schicht, Berufsgruppe oder sexuellen Orientierung man angehört. Das oberste Ziel muss es sein, sich als eine Gesellschaft zu fühlen. Ein solches Zugehörigkeitsgefühl schafft Motivation sich einzubringen, teilzunehmen und den Kontakt zu anderen Personen herzustellen. Wir müssen es fördern, dass sich Menschen in einer breiten Gesellschaft zuhause fühlen. Das beinhaltet auch, dass man Diversity-Kompetenz-Schulungen anbietet und darauf hinarbeitet, dass es auf sprachlicher Ebene gar nicht mehr nötig ist, Kategorien wie Herkunftsland, Migrationshintergrund, soziale Schicht etc. zu erwähnen.

Das Staatsangehörigkeitsrecht ist ein wichtiger Hebel, um das Zugehörigkeitsgefühl in der Gesellschaft zu stärken. Wie kann die SPD an die Reformagenda anknüpfen, die sie mit Rot-Grün 1998 begonnen hat?

Wir sind für ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht. Denn unsere Gesellschaft wird vielfältiger und Menschen sollen sich nicht zwischen unterschiedlichen Nationalitäten entscheiden müssen. Menschen mit Einwanderungsgeschichte, die die deutsche Staatsangehörigkeit haben möchten, sollten nach objektiven Kriterien geprüft werden. Jenseits dessen wollen wir das Kommunalwahlrecht für EU-Bürgerinnen und Bürger auf alle Menschen ausweiten, die seit geraumer Zeit in unserem Land leben. Auch auf Landes- und Bundesebene brauchen wir dringend eine Reform des aktiven und passiven Wahlrechts!

Was haltet Ihr von einem Ministerium für Migration und Zusammenhalt? Wie sollte man Migration und Teilhabe in der Einwanderungsgesellschaft strukturell neu aufsetzen?

In Anbetracht der aktuellen Bevölkerungszahlen (ein Viertel der Gesellschaft mit Migrationshintergrund) muss die Teilhabe neu strukturiert werden. Prinzipiell sind wir offen für ein neues Ministerium, aber dafür braucht es eine Koalition mit großer Bereitschaft dafür, aus diesem Querschnittsministerium ein eigenständiges Zuständigkeits-Ministerium aufzubauen. Es muss unter Federführung eines solchen Ressorts ein stetiger Austausch aller betroffenen Ministerien geben, um eine ganzheitliche Politik auf den Weg zu bringen. Wir wollen ein Integrations- und Partizipationsgesetz anstoßen, um u.a. die interkulturelle Öffnung auch gesetzlich zu verankern.

Die SPD hat mit den beiden letzten Großen Koalitionen viele Kompromisse in der Flüchtlingspolitik schlucken müssen, was die Schmerzgrenze oft genug überschritten hat. Wie wollt Ihr mit diesen Verschärfungen umgehen, wenn die Koalition beendet ist?

Wir wollen, dass es mit einer starken SPD wieder links-progressive Bündnisse gibt. Wenn wir diese Mehrheiten haben, dann wollen wir selbstverständlich auch eine konsequent an Humanität und Solidarität ausgerichtete Geflüchteten- und Einwanderungspolitik machen. Dazu wird es gehören, den ein oder anderen schmerzhaften Kompromiss zu überarbeiten. Wir als Parteivorsitzende wollen zu einem Vielfaltsdialog einladen, um mit allen relevanten Akteurinnen und Akteuren und einem breiten gesellschaftlichen Bündnis über die sozialdemokratische Migrationspolitik zu diskutieren und diese neu aufzustellen.

Wie sieht ein solidarischer Verteilungsmechanismus von Geflüchteten innerhalb Europas aus?

Ein solidarischer Verteilungsmechanismus ist für uns, wenn sich alle Mitgliedstaaten dazu bereit erklären, Geflüchtete aufzunehmen. Natürlich ist auch klar, dass große und wohlhabendere Staaten mehr aufnehmen als kleinere. Wenn sich Mitgliedstaaten verweigern, Geflüchtete aufzunehmen, müssen sie dafür einen finanziellen Ausgleich an die Länder zahlen, die dafür mehr Menschen aufnehmen. Wir haben Griechenland, Malta und Italien viel zu lange allein gelassen und es ist höchste Zeit, dass wir uns auf europäischer Ebene endlich auf ein faires Verfahren verständigen. Die Einigung der Innenminister in Malta ist ein erster Schritt, aber der reicht nicht aus. Wir arbeiten daran, können aber nicht warten, bis auch der letzte Zweifler überzeugt ist. Deswegen wollen wir bis zum großen Wurf eine Koalition der Solidarität und Humanität schmieden, um schnell die derzeitige Situation bei der Seenotrettung zu beenden. Es kann doch nicht sein, dass wir bei jedem Schiff neu darüber verhandeln, wo die Menschen an Land gehen dürfen und wer wie viele Menschen aufnimmt.

Dänemark oder Spanien? In der Migrationspolitik.
Wir sollten in der EU für eine Migrationspolitik werben, die Humanität und Solidarität verpflichtet ist, und dabei mit gutem Beispiel voran gehen und anderen Mut machen, dass Mauern und Abschottung keine Lösung sind.