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Aktuelles

09.10.2015 | Integration

Perspektivwechsel Deutschland – Beitrag zur Perspektivdebatte der SPD

Die Perspektivdebatte der Sozialdemokratie ist in vollem Gange und die Fragen, die durch unsere Einwanderungsgesellschaft aufgeworfen werden, sind noch zu unzureichend beantwortet worden. Dabei sind diese Fragen essentiell für ein starkes Einwanderungsland wie Deutschland. Wie sind die Bindungskräfte in einer vielfältiger werdenden Gesellschaft organisiert? Wie schaffen wir die nächste deutsche Einheit mit den neuen Deutschen zusammen? Wie werden wir wieder zu einem Land der Aufstiege? Drängende Fragen, die durchdachte Antworten verlangen und denen wir uns mit folgendem Impuls für die Perspektivdebatte stellen wollen.

Wandel ist der Normalzustand

Wenig ist von Dauer - eine der wenigen Gewissheiten der Geschichte. Diese Erkenntnis gilt auch für das Selbstverständnis einer Nation und das Bild davon, was diese Nation ausmacht. Dieses Schicksal zum Wandel begleitet auch Deutschland. Die Migrationsbewegungen der letzten Jahrhunderte haben Deutschland verändert und wurden durch die Nazizeit nur unterbrochen. Migration gab es aber nicht immer nur in eine Richtung. Bis vor gerade einmal zwei oder drei Generationen zwangen Not oder Diktatur noch viele, aus Deutschland zu fliehen. Nach 1945 wandelte sich Deutschland durch die Wanderungsbewegungen der Vertriebenen der Nachkriegsgeschichte, durch die sogenannten Gastarbeiter, durch die Geflüchteten der 80er und 90er Jahre, durch die Einwanderung der Aussiedler und heute durch die Geflüchteten aus dem Nahen Osten, aber auch durch die innereuropäischen Arbeitsmigrantinnen und -migranten. Wandel ist der Normalzustand, der das Bild von Deutschland und vom Deutschsein täglich ändert.

Sichtbar, hörbar und fühlbar war dieser Wandel lange Zeit nicht. Hinzu kam die Totalverweigerung der Konservativen, dieses Land als Einwanderungsland anzuerkennen. Aufgebrochen hat dies erst die Sozialdemokratie unter Rot-Grün. Mit der Regierungsübernahme 1998 hat sie einen entscheidenden Beitrag zur Anerkennung geleistet. Dies war die Voraussetzung, sowohl die Probleme bearbeiten als auch die Chancen nutzen zu können.

Heute ist unser Land - gerade im Gegensatz zu den 1990ern - ein Land, das beispielhaft Europa ein menschliches Gesicht verleiht. Die Bilder der Willkommensinitiativen sind ein Produkt sozialdemokratischer Politik. Darauf kann die Sozialdemokratie Stolz sein.

Einer Minderheit in unserem Land scheint das neue Gesicht Deutschlands allerdings Angst zu bereiten. Es sind diejenigen, denen die Anwesenheit von Muslimen Angst vor Überfremdung macht. Es sind diejenigen, die Minderheiten wie Roma als Kriminelle abstempeln. Es sind diejenigen, die Geflüchtete per se unter den Verdacht des Missbrauchs unseres Asylrechts stellen. Solche Einstellungen passen nicht zu unserem neuen, weltoffenen Deutschland. Solche Einstellungen verletzen Art. 1 GG, dass die Würde jedes Menschen, nicht der Deutschen alleine, unantastbar sei. Wir verlangen von allen, die in unserem Land leben oder leben wollen, dass sie unseren Wertekanon annehmen. Wer Fragen hat, hat Antworten verdient. Es gilt die neugierigen Skeptiker unter ihnen mitzunehmen, indem wir aufklären und Geld in die präventive Arbeit der Demokratieförderung stecken. Aber es gilt gleichzeitig denen, die unsere vielfältige Republik nicht anerkennen und bekämpfen wollen, die Brandsätze schmeißen oder Hassreden halten, die Stärke unserer wehrhaften Demokratie zu zeigen.

Sozialdemokratischer Patriotismus

Gibt es einen Patriotismus, der mehr ist als ein blinder Stolz auf eine Fahne mit drei Farben oder eine Hymne? Gibt es einen Patriotismus der nicht ab- und ausgrenzend wirkt, sondern ein generelles Zugehörigkeitsgefühl schafft? Zwei Fragen, mit denen man sich beschäftigen muss, wenn es um einen sozialdemokratischen Patriotismus geht.

Gerade mit dem Erstarken der Nationalen und Rechten, wie es die Vielzahl der *gidas und anderer rechter Bewegungen in den vergangenen Monaten gezeigt hat, ist für alle fortschrittlichen Kräfte ein neuer Diskurs zum Patriotismusbegriff bitter nötig. Auch die zunehmende Entsolidarisierung in Europa und der Zugewinn nationaler Kräfte in der politischen Landschaft ganz Europas bekräftigt die Notwendigkeit einer integrationsförderlichen Antwort.

"Ein Patriot ist jemand, der sein Vaterland liebt. Ein Nationalist ist jemand, der die Vaterländer der anderen verachtet", dieser Aussage von Johannes Rau folgend, sind wir gerne Patrioten. Heimatliebe ist ein gutes Gefühl, egal ob Menschen ihre Familie und Freunde, ein Fleckchen Erde oder ein Wertesystem darunter begreifen. Stolz auf unser Land verbinden wir mit Dankbarkeit für das, was es uns ohne unser Zutun bietet, und mit der Verantwortung für Menschen, die in schwierigere Verhältnisse hineingeboren wurden. WeltbürgerIn, EuropäerIn, Deutsche/r, diese Identitäten hüllen uns ein wie die Schalen eine Zwiebel, sie ergänzen sich und lassen sich untereinander aushandeln. Andere mögen, ohne sich selbst aufzugeben - das ist das Motto für ein vielfältiger werdendes Land, nach innen und außen.

Ein sozialdemokratischer Patriotismus darf kein nationaler sein, denn schon Willy Brandt mahnte: "Ein guter Deutscher kann kein Nationalist sein." Er muss sich an den Werten orientieren, welche integrativ wirken.

Solche Werte beschrieb einer der großen lebenden deutschen Denker, Dr. Navid Kermani, bei der Feierstunde "65 Jahre Grundgesetz", indem er schilderte, wofür die Einwanderinnen und Einwanderer und ihre Nachkommen Deutschland am meisten dankbar seien: "wie sehr sie die Freiheit schätzen, an der sie in Deutschland teilhaben, den sozialen Ausgleich, die beruflichen Chancen, kostenlose Schulen und Universitäten, übrigens auch ein hervorragendes Gesundheitssystem, Rechtsstaatlichkeit, eine bisweilen quälende und doch so wertvolle Meinungsfreiheit, die freie Ausübung der Religion", und vieles mehr, was unser Grundgesetz schwarz auf weiß schützt und dieses Land so attraktiv macht. Diese Inhalte lassen das Gefühl von Stolz auf ein Land als Teil Europas aufleben.

Für die Sozialdemokratie gilt es, die Speerspitze der Bewegung zu bilden, die das weltoffene Bild Deutschlands in den letzten Wochen und Monaten geprägt hat. Es gilt, die neue deutsche Erzählung aufzunehmen und weiter zu entwickeln und das freundliche Gesicht auf den Bahnhöfen auch in politisches Handeln zu übersetzen. Dazu gehört ein Staatsangehörigkeitsrecht, dass so offen ist, dass es den neuen Bürgerinnen und Bürgern deutlich macht, dass wir wollen, dass sie zu uns gehören. Dem kommt man nach, indem Mehrstaatlichkeit nicht mehr als Quelle potentieller Illoyalität zu diesem Land gerechnet wird, ein deutscher Pass viel schneller als bisher, in weniger als einer Handvoll Jahren erlangt werden kann und schikanierende Hürden eingerissen werden.

Wir werben für einen sozialdemokratisch geprägten Wertepatriotismus. Werte schaffen Zusammenhalt. Es tut Menschen gut, zu spüren, dass sie grundlegende Werte teilen - Menschenrechte, Frieden, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Solidarität. Dazu müssen wir uns die Bedeutung dieser Errungenschaften immer wieder neu bewusst machen und sie nie als selbstverständlich ansehen. Ein solcher Wertepatriotismus macht nicht an Grenzen halt. Es ist ein Patriotismus der Anständigen. Für Europa und in der ganzen Welt.

Vonnöten: Ein ganzheitliches Migrationskonzept

In einer globalisierten Welt sind die Konflikte anderer Regionen - seien sie noch so weit entfernt - näher als man glaubt. Deshalb sind eine aktive Friedenspolitik und ein wachsames Auge auf potentielle Konflikte im gemeinsamen Interesse der internationalen Gemeinschaft. Friedenspolitik muss wieder zum Markenzeichen der SPD werden und dazu sind alle Ebenen gefragt. Unsere Politik muss in erster Linie darauf gerichtet sein, Flucht unnötig zu machen. Wer aber vor politischer Verfolgung, Vergewaltigung oder Krieg zu uns flieht, den wollen wir anständig behandeln.

Die letzten Jahre des Migrationsgeschehens in Deutschland waren geprägt durch eine starke Einwanderung junger Süd- und Osteuropäerinnen und -europäer, die aus den krisengebeutelten Ländern zur Arbeitssuche nach Deutschland kamen. Viele gut qualifizierte neue Bürgerinnen und Bürger fanden dabei nicht nur Arbeit, sondern auch ein Stück neue Heimat.

Dies sind nur zwei Beispiele der neueren Migrationsbewegungen. Einwanderung war und wird auch Normalzustand bleiben. Was Deutschland jedoch fehlt, ist eine Gestaltung der Migration. Dabei ist ein ganzheitlicher Blick notwendig, der sowohl humanitäre und wirtschaftliche wie auch entwicklungspolitische Aspekte berücksichtigt.

Ganzheitliches Migrationskonzept heißt…

  • …Einwanderung nicht nur nach dem Nutzenaspekt zu planen. Um eine halbwegs stabile Bevölkerungsgröße behalten zu können, brauchen wir eine starke Einwanderung. Der Umfang der Einwanderung, der für die Stabilisierung notwendig ist, muss einen fairen Anteil von fehlenden Fachkräften, aber auch einen Anteil aus humanitären Gesichtspunkten berücksichtigen. Instrumente der legalen Einwanderung wie Resettlement-Programme oder humanitäre Visa müssen mit festen Kontingenten versehen werden. Alle Migrationswege werden wir in einem Gesamtsystem zusammendenken. Von der Einreise als Fachkraft bis zum Familiennachzug.
  • …die Entwicklung und Interessen der Herkunftsländer zu berücksichtigen. Die Möglichkeit für zirkuläre Migration kann einen Beitrag leisten, Menschen in Deutschland zu qualifizieren und sie nach einer Rückreise weiter zu fördern. Eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für ausländische Studierende könnte solch ein Konzept gut ergänzen. Dadurch können neue Brücken entstehen und ein wichtiger entwicklungspolitischer Beitrag geleistet werden. Auch für Migrationsbewegungen aus den Balkanländern könnte dies eine geeignete Lösung sein. Fehler wie bei der Gastarbeitergeneration dürfen nicht wiederholt werden. Wer kommt, darf auch bleiben und sollte alle Teilhabeangebote annehmen können. Eine Rückkehr sollte immer nur eine freiwillige Option sein.
  • …zu verstehen, dass Einwanderung nicht an der Grenze endet. Teilhabeangebote für Einwandererinnen und Einwanderer müssen immer mit im Fokus stehen. Die ersten Start-Up Unternehmen, die die vielen neu geworbenen Hochqualifizierten nach Deutschland geholt haben, beschreiben nach einigen Jahren den Prozess der Abwanderung. Gekommen, um zu arbeiten, finden viele keine richtige neue Heimat. Wenn Deutschland mehr als nur ein Arbeitsplatz sein und Menschen auf Dauer eine Heimat geben will, müssen wir bei den Einbürgerungsregelungen, bei der Antidiskriminierungspolitik, bei allen Instrumenten der Teilhabe mehrere Gänge in Richtung Ankommenskultur zulegen. Andernfalls kann man jeden langfristig erfolgreichen Werbeversuch um Fachkräfte vergessen.

Vonnöten: Neue Durchlässigkeit und Aufstiege

Das Aufstiegsversprechen ist der Kitt unserer Gesellschaft und ein zentrales Element sozialdemokratischer Politik. Es ist Teil sozialdemokratischer DNA. Dieses Versprechen hat die Sozialdemokratie in vielen Fällen erfüllen können, als es beispielsweise um die Arbeiterbewegung oder um das vielzitierte "katholische Landmädel" ging. Heute wird jedoch dieses Versprechen viel zu oft nicht mehr erfüllt. Dies trifft insbesondere die vielen Millionen Bürgerinnen und Bürger, die neue deutsche Namen tragen, sichtbar das neue Gesicht Deutschlands prägen und familiäre Wurzeln in anderen Regionen der Welt haben. Alte Instrumente sozialdemokratischer Aufstiegspolitik müssen deshalb wiederbelebt und durch neue flankiert werden. Hierzu gehört für uns zentral eine moderne und zeitgemäße Antidiskriminierungspolitik. Eine wahrnehmbare personelle, finanzielle und rechtliche Stärkung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und der Umbau des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu einem tatsächlichen Antidiskriminierungsgesetz, welches u.a. auch die Diskriminierung zwischen Individuum und Staat in den Blick nimmt, sind nur zwei essentielle Schritte auf dem Weg zu einem Land der Aufstiege.

Viele Migrantinnen und Migranten der ersten Generation kommen aus "bildungsfernen" Schichten - wie sie fälschlicherweise tituliert werden. Bildungsfern hört sich nach einer bewussten Auswahl der Bildungsverneinung an. Sie haben jedoch in ihren Herkunftsländern leider oft nicht die Möglichkeit erhalten, Bildung genießen zu dürfen. Als vor rund zehn Jahren die erste PISA-Studie erschien und zeigte, wie sehr in Deutschland die Bildungschancen von der sozialen Herkunft abhängen, betraf das auch sehr stark Jugendliche, deren Eltern aus der ersten oder zweiten Gastarbeiter-Generation stammten: häufig ungelernte Arbeiterfamilien, die nichtsdestotrotz eine starke Bereitschaft zur Leistung und den Willen zum Aufstieg mitbringen. Alle Instrumente der Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik gehören deshalb für uns auf den Prüfstand, ob sie tauglich für unsere vielfältige Gesellschaft sind - für alte und neue Deutsche.

Dabei gilt: Akademisierungswahn war gestern. Aufstieg heißt heute nicht länger immer höher, schneller, weiter, Kohle und dickes Auto sondern bleibt den Menschen selbst überlassen: alle sollen das Leben führen können, dass sie sich wünschen, soweit Politik dazu beitragen kann. Alle Fähigkeiten sind gefragt und die sozialen werden immer wichtiger.

Vonnöten: Teilhabe für Alle

Teilhabe vom ersten Tag an, das ist die Antwort der Sozialdemokratie für unsere Einwanderungsgesellschaft. Gerade in den neuen Bürgerinnen und Bürgern sehen wir die Potenziale und fördern diese in bildungs- wie auch arbeitsmarktpolitischen Prozessen. Wir wollen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Menschen dürfen nicht jahrelang in Warteschleifen geparkt werden, um hinterher sagen zu können: " Sie wollen sich nicht integrieren"!

In den letzten Jahren haben Integrationsgesetze in den Bundesländern wichtige Impulse zu mehr Teilhabe geliefert. Symbolisch, aber auch real wird ein Partizipations- und Integrationsgesetz auf Bundesebene einen wichtigen Beitrag leisten, um dort Repräsentationslücken zu schließen und den Druck für mehr Teilhabe zu steigern. Die Berücksichtigung der gesellschaftlichen Vielfalt bei der Besetzung von Gremien könnte Impulse für das sichtbare Zusammenwachsen unserer Gesellschaft liefern. Und durch eine feste Partizipations- und Förderstruktur von Migrantenselbstorganisationen könnte die wichtige Arbeit dieser ausgebaut und auch als Teil der Willkommenskultur für neue Deutsche genutzt werden.

Demokratische Teilhabe ist ein besonders wichtiger Klebstoff für unsere Gesellschaft. Wir wollen nicht nur neue Kollegen, Freunde, Mitbürgerinnen, sondern neue Staatsbürger gewinnen. Die repräsentative Demokratie trägt uns auf, dass alle Bevölkerungsgruppen auch tatsächlich repräsentiert werden. Daran arbeiten wir in den ehrenamtlichen Strukturen und allen Vertretungen vom Gemeinderat bis zu den Parlamenten. Dazu müssen wir auch immer besser verstehen, wie uns dies gelingen kann. Die neue Vielfalt fordert auch unsere Demokratie heraus. Aber Demokratie ist nicht nur der Wahlakt, sondern unsere Lebensform. Deshalb brauchen wir eine Enquete-Kommission Demokratie und Vielfalt, um im Dialog mit Wissenschaft und Zivilgesellschaft, die Strategie für demokratische Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen zu entwerfen.

Unsere Vision 2030: Die nächste Deutsche Einheit schaffen

"Typisch Deutsch" ist im Wandel. "Typisch Deutsch" wird 2030 anders sein, als das was unsere Großeltern kannten, es ist es heute schon. Vielleicht wird jeder vierte Deutsche Wurzeln außerhalb unserer Grenzen haben. Durch binationale Partnerschaften wird eventuell jeder zweite Deutsche auch persönlich eine Migrationsgeschichte kennen. Unsere Schulen werden so vielfältig sein, dass die Frage nach der Herkunft keine Rolle mehr spielen wird. Mit neudeutscher Leichtfüßigkeit werden wir bis dahin spannende Diskussionsprozesse führen - über Religion, Traditionen, Kultur oder das Einwanderungsmodell Deutschland was andere Länder allzu gern kopieren würden. Nicht immer reibungslos werden wir dabei diskutieren, aber bekanntlich sorgt Reibung ja für Wärme.

Vielfalt made in Germany. Hier haben alle die gleichen Chancen, auch die zweite oder dritte, unabhängig von der Herkunft (und anderen Vielfaltsmerkmalen). Hier arbeiten alle politisch mit, vielleicht auf ihre Weise, sodass sich auch Politik verändert, aber sichtbar und repräsentativ. Wir arbeiten kontinuierlich daran zu klären, wie das Zusammenleben gelingen kann. Es gibt keine Pseudo-Tabus sondern dauernden offenen Dialog, über das was schwerfällt und über das, was freut- und immer im Blick, wie es gut gehen kann. Und es geht nie nur um die Neuen: Wir stärken alle Menschen, so dass sie von einer selbstbewussten Haltung aus, offen auf andere zugehen können und diese als Ergänzung zu sich, nicht nur aushalten, sondern schätzen können. Aufstieg heißt heute nicht länger Anpassung an vorgegebene Karrieremuster. Die Menschen sollen zu sich selbst aufsteigen und das Leben führen können, dass sie sich wünschen, soweit Politik dazu beitragen kann.

Willy Brandt forderte einst mehr Demokratie zu wagen, um die Menschen zur Mitverantwortung und Mitleidenschaft zu gewinnen. Heute beweisen die Menschen genau dies. Sie verdienen es, in die Überlegungen zur Migrationspolitik stärker eingebunden zu werden: Wieviel Zuwanderung braucht Deutschland? Wieviel humanitäres Engagement trauen wir uns zu? Was erwarten wir von denen, die zu uns kommen, was von anderen? Solche Fragen gilt es in einen öffentlichen Dialog zu überführen. Dieser muss relevante gesellschaftliche Gruppen, Experten und Laien einbinden. Darin sollten Fakten gemeinsam geklärt, ein positives Zielbild für das Einwanderungsland entworfen und Handlungsempfehlungen an die Politik entwickelt werden. Und das Zusammenleben muss überall eingeübt werden, wo Menschen neu aufeinander treffen, im Wohnblock, im Dorf, in der Stadt. Angelehnt an das Projekt "Wiener Charta" müssen wir ein Modell "Werte für gutes Zusammenleben" entwickeln und umsetzen." Dabei geht es darum, mit den Menschen ins Gespräch und zu einer Verständigung zu kommen, was ihnen für ein gelingendes Zusammenleben im Kiez oder der Gemeinde wichtig erscheint. Das kann auch ein Projekt für SPD-Ortsvereine sein.

Sich dieser Herausforderung zu stellen, ist eine wichtige Zukunftsaufgabe der Sozialdemokratie. Wenn die Sozialdemokratie die richtigen Antworten auf die Fragen unserer Einwanderungsgesellschaft findet, wird sie nicht nur den Zusammenhalt unserer Gesellschaft festigen, sondern auch den Grundstein für eine neue Ära einer starken Sozialdemokratie legen.

Autorinnen und Autoren:

Aziz Bozkurt, geb. 1981, ist Bundesvorsitzender der AG Migration und Vielfalt in der SPD und Mitglied im Landesvorstand der SPD Berlin. Als Business Analytics Manager arbeitet er hauptberuflich für ein Berliner eCommerce Unternehmen. Er ist in verschiedenen bundesweiten und lokalen Netzwerken und Vereinen aktiv, die sich zum Thema Vielfalt in Deutschland engagieren.


Lars Castellucci
, geb. 1974, ist SPD - Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Rhein-Neckar, stv. Landesvorsitzender der SPD Baden-Württemberg und Professor für Nachhaltiges Management, insbesondere Integrations- und Diversity Management an der Hochschule der Wirtschaft für Management in Mannheim.


Serpil Midyatl?
, geb. 1975 in Kiel, SPD Landtagsabgeordnete für den Wahlkreis Eckernförde, stv. Faktionsvorsitzende und Mitglied im Landesvorstand der SPD Schleswig - Holstein. Vor dem Einzug in den SH Landtag war sie selbstständig.


Irena Rudolph-Kokot
, geb. 1973 in Moskau (Russische Föderation), ist stv. Bundesvorsitzende der AG Migration und Vielfalt in der SPD. Die Verwaltungsfachwirtin ist Personalratsvorsitzende des Städtischen Eigenbetriebes Behindertenhilfe Leipzig und ist über das parteipolitische Engagement hinaus Bezirksvorstands- und Präsidiumsmitglied der ver.di Leipzig / Nordsachsen und im Aktionsbündnis "Leipzig nimmt Platz" aktiv.

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